Ist die Betreuung von Kindern wirklich weniger wert als die Betreuung eines Aktienfonds? Oder die Betreuung eines Algorithmus´? Die Antwort lautet nicht nur für diesen Vergleich zwischen „typischen Männer- und „Frauenberufen“: ja, diese Arbeit ist uns monetär gesehen deutlich weniger wert. Der Equal Pay Day, der in dieses Jahr am 10. März stattfindet, lenkt gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf ein Thema, von dem wir uns wünschen würden, es bräuchte gar keine Aufmerksamkeit mehr. Aber das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist nach wie vor vorhanden und in Deutschland, angeblich mit ganz vorne im Bereich der Aufklärung und Emanzipation, auch noch besonders hoch. Die Ursachen sind vielfältig und tief in der Gesellschaft verwurzelt. Deswegen freuen wir uns, gemeinsam mit der Initiative Equal Pay Day mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema zu generieren.
19% Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen. Diese Zahl ist erst einmal schwer zu verdauen. Kann es wirklich sein, dass Frauen 19% weniger verdienen als Männer? Ja, kann es, aber hier ist eine Differenzierung erforderlich. Auf den ersten Blick könnte man glauben, dass Frauen bei gleicher Position und gleicher Arbeitszeit 19% weniger Gehalt verdienen als ihr männliches Pendant. Das ist aber nicht gemeint. Der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap (GPG) von 19% rechnet mit ein, dass Frauen wesentlich häufiger in Teilzeit arbeiten, längere Familienpausen einlegen und deutlich häufiger in schlechter bezahlten Berufen arbeiten als Männer. Betrachtet man den bereinigten GPG (vergleichbare Erwerbsbiografie, gleiche Position, gleiche Arbeitszeit) gibt es aber immer noch einen finanziellen Vorsprung der Männer von rund 6 %. Beide Zahlen liegen in gesellschaftlichen Standards begründet, die wir -bewusst oder unbewusst- zunächst unseren Kindern mitgeben und die sich später im Arbeitsleben immer wieder reproduzieren. Welche sind das?
Frauen fehlen nach wie vor in technischen Berufen., da sie weiterhin vermehrt Laufbahnen im Bereich Pflege und Erziehung ergreifen. Die Frauen, die im MINT-Bereich vertreten sind, steigen dort wesentlich schwerer in die Führungsetagen auf als ihre Kollegen. Das Engagement muss hier in beide Richtungen gehen. Zum einen müssen Care-Berufe besser bezahlt werden, zum anderen sollte auch gesellschaftlich darauf hingearbeitet werden, dass mehr Frauen MINT-Berufe und mehr Männer Care-Berufe ergreifen. Beide Berufszweige würden davon enorm profitieren. Hierbei ist ein Abbau von Rollenstereotypen genau so wichtig, wie die weitere Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Geschlechter. Dazu zählt nicht nur die Kinderbetreuung, sondern auch die Pflege von Angehörigen. In beiden Bereichen sind Frauen nach wie vor deutlich länger und häufiger anzutreffen als Männer.
Die gerade erwähnten Themen zahlen besonders auf den unbereinigten GPG ein. Durch diese Verwerfungen zu Ungunsten von Frauen kommt ein derart hoher Unterschied zwischen Männern und Frauen zusammen. Diese Zahl beinhaltet aber auch die 6% Lohnunterschied bei identischen Voraussetzungen bzgl. Erwerbsbiografie, Arbeitszeit und Position. Auch wenn sie deutlich kleiner ist, ist diese Zahl der fast noch größere Skandal. Oft wird versucht, dieses Gap mit geringerem Verhandlungsgeschick bei Frauen zu erklären. Das greift jedoch deutlich zu kurz. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die die bewusste, viel häufiger aber die unbewusste Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Für beide Aspekte spielen gesellschaftlich verankerte Geschlechterstereotype wiederum eine große Rolle. Dies haben verschiedene wissenschaftliche Studien nachgewiesen.
So aufgedröselt wird deutlich, wie sehr immer noch der Unterschied zwischen den Geschlechtern gesellschaftlich verankert ist. Eine aktive Beschäftigung mit diesen Themen liegt uns nicht nur am Herzen und tragen wir aktiv in die Unternehmen, sondern ist auch unvermeidlich, um einen echten gesellschaftlichen Wandel und damit mehr Geschlechtergerechtigkeit herbeizuführen. Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer und Frauen wird einen großen Teil dazu beitragen, Frauen aus der zugeschriebenen Zuständigkeit für die Familie herauszuholen und jeder Familie eine freiere Entscheidungsbasis zu eröffnen. Und damit ein weiteren Schritt hin zu einem Equal Pay Day am 1. Januar zu gehen.