Mit Vätern, die in Teilzeit arbeiten, um sich die Care-Arbeit mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner zu teilen, verhält es sich ungefähr so wie mit Schnee an Weihnachten. Alle glauben, das müsste ziemlich oft der Fall sein, in Wahrheit passiert es aber so gut wie nie. Gerade einmal 7-8% aller Väter arbeiten während des betreuungsintensiven Alters ihrer Kinder weniger als 100% in ihrem Job. Mütter verkürzen ihre Arbeitszeit dagegen in 72% der Fälle (laut Microzensus 2017). Dieses Ungleichgewicht in der Kinderbetreuung führt zu allerhand Nachteilen für die Familie, die einzelnen Elternteile, aber auch für die Gesellschaft. Wir können uns nicht länger auf dem althergebrachten „Alleinernährer-mit-Zuverdienst“-Modell ausruhen. Ein Plädoyer für die Teilzeit-Familie.
Familien sollten prüfen, ob für sie das Modell der gemeinsamen Teilzeit in Frage kommt
Dabei wäre es oft eine ideale Lösung für viele Herausforderungen, die ein Vollzeit-Teilzeit-Modell mit sich bringt. Mütter erleben durch die starke Reduzierung ihrer Arbeitszeit oft einen spürbaren Karriereknick. Nach wie vor ist in vielen Unternehmen eine Teilzeitposition mit Nachteilen verbunden. Da diese Nachteile zumeist Frauen betreffen, befördert dies gleichzeitig große gesellschaftliche Probleme. Da so viele Frauen über lange Zeit deutlich weniger verdienen als Männer und zudem durch lange Teilzeit schlechtere Karrierechancen haben, liegt auch ihre Rente deutlich niedriger. Vielen Frauen droht die Altersarmut. Das befördert außerdem die Abhängigkeit der Frau vom Mann, wenn sie sich einmal in die Teilzeitfalle begeben hat. Keine besonders gute Lösung also.
Weiterhin bestätigen Umfragen wie zum Beispiel der Väterreport des BMFSFJ, dass sich viele Väter wünschen, mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Durch den Druck, den sie in ihrer Versorgerrolle verspüren, arbeiten sie mehr, machen Überstunden und versuchen dieser Rolle gerecht zu werden, auf die ja nun die ganze Familie angewiesen ist. So haben sie wenig Möglichkeiten, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Eher sogar noch weniger als vor der Aufteilung in Vollzeit und Teilzeit. Keine besonders gute Lösung also.
Ganz zu schweigen von Vätern, die nicht wissen, was die Kleinen alles für die Kita brauchen, Kindern, die gerne beide Elternteile bei ihrer Ballettaufführung als Zuschauer hätten und Müttern, die keine Lust haben, immer diejenige mit der Verantwortung für die Organisation der Familie zu sein. Diese Liste könnte noch lang so weiter gehen.
Nur mit Geld zu argumentieren greift zu kurz
Warum also nicht ungefähr gleich viel arbeiten und gleich viel Familienzeit verbringen? Ein häufig auftauchendes Argument ist an dieser Stelle das Geld. Es kommt nicht allzu oft vor, dass beide Elternteile genau gleich viel verdienen und so durch eine gemeinsame Reduktion der Arbeitszeit die Balance des Verdiensts nicht berührt würde. Die Steuerregelung des Ehegattensplittings begünstigt diese Dynamik noch. Rein finanziell macht es daher oft mehr Sinn, dass die geringer verdienende Person in Teilzeit arbeitet. Und das ist meistens die Frau. Unserer Ansicht nach greift dieses Argument aber zu kurz, betrachtet man die oben besprochenen Nachteile dieser Aufteilung. Solange die finanzielle Situation der Familie durch gemeinsame Teilzeit nicht prekär wird, ist es absolut notwendig, mehr als nur das finanzielle Argument ins Feld zu führen.
Dabei ist uns völlig bewusst, dass es eines gewissen Privilegs und finanziellen Spielraums bedarf, auf ein optimiertes Einkommen zu verzichten. Lange nicht jede Familie kann sich das leisten. Deswegen ist es umso wichtiger, dass es die Familien, die das können, es zumindest in Betracht ziehen. Nur so kann sich auf längere Sicht auch am gesellschaftlichen Bild etwas ändern, können gesetzliche Regelungen angepasst werden. Das Bild des in Teilzeit arbeitenden Vaters würde sich mehr und mehr normalisieren, was wiederum allen Vätern zu Gute käme und bessere Modelle der Zeitaufteilung für alle ermöglichen würde. Auch für die Familien, bei denen es finanziell zum heutigen Zeitpunkt noch nicht machbar ist. Vereinbarkeit von Beruf und Familie wäre damit für alle Beteiligten besser umsetzbar.
Der Arbeitgeber ist ein wichtiger Teil der Lösung
Um auch das andere Ende der Vereinbarkeit zu beleuchten: Arbeitgeber müssen und können ihren Teil dazu beitragen, das Modell der gemeinsamen Teilzeit attraktiver zu machen. Der wichtigste Punkt dabei ist die Kommunikation im Unternehmen. Durch die immer noch festgefahrenen gesellschaftlichen Rollenbilder ist es für Männer schwieriger als für Frauen, sich aktiv für gleichberechtige Familienzeit einzusetzen. Findet hier eine aktive Kommunikation von Seiten des Unternehmens statt, fällt die Beschäftigung mit dem Thema deutlich leichter. Ängste, als Mann Ablehnung zu erfahren, weil Teilzeit zu Gunsten der Familie eingefordert wird, werden dadurch reduziert. Von Unternehmensseite gibt es vielfältige Möglichkeiten, den Einstieg und die Umsetzung des Themas Familienteilzeit zu erleichtern.
Machen Sie eine Beschäftigtenbefragung und stellen Sie dabei gezielt auch Fragen an (werdende) Väter.
Berücksichtigen Sie die Wünsche und Bedürfnisse der Väter bei der Gestaltung Ihrer Personalpolitik, indem Sie die Ergebnisse der Umfragen auswerten und mit in Entscheidungen einbeziehen. Sie machen es damit Vätern leichter, Teilzeit in Erwägung zu ziehen und gleichzeitig Müttern einfacher, ihre Arbeitszeit nicht zu stark kürzen zu müssen.
- Sprechen Sie Väter gezielt auch in der Unternehmenskommunikation an. Oft sind Unterlagen zum Thema Familienfreundlichkeit bewusst oder unbewusst mehr an Frauen als an Männer gerichtet.
- Gehen Sie als Führungskraft mit gutem Beispiel voran und kommunizieren Sie das öffentlichkeitswirksam. Ein gutes Vorbild wirkt Wunder!
- Bieten Sie Beratung für werdende Väter und Mütter mit ihren Lebenspartnern an. Unterstützen Sie dabei Vereinbarkeitsstrategien, die beide Elternteile motivieren, sich gleich intensiv um Einkommen und Nachwuchs zu kümmern.
- Organisieren Sie Informationsveranstaltungen über das ElterngeldPlus-Gesetz.
- Benennen und qualifizieren Sie „Väterbeauftragte“ in der Personalabteilung, die Familien gezielt unterstützen, eine gerechte Zeitverteilung zwischen Arbeit und Familie zu finden.
- Bilden Sie Fokusgruppen quer durch die Hierarchien und lassen Sie konkrete Vorschläge für mehr Väterfreundlichkeit erarbeiten. Hier ist auch die weibliche Perspektive gefragt!
Durch solche vielfältigen Kommunikationsmaßnahmen merken Eltern, dass sie im Unternehmen willkommen sind und dass passende Lösungen gesucht werden. Und zwar geschlechtsunabhängig. Unternehmen könnten dadurch einen großen Teil dazu beitragen, dass sich auch der gesellschaftliche Blick auf die Zuständigkeit für die Familie auf lange Sicht modernisiert und somit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für alle einfacher und gerechter wird.
Eine 80/80-Familie hat also viele Vorteile im Gegensetz zum althergebrachten Modell. Geht man in der Beurteilung noch weiter, so kann man auch davon ausgehen, dass es so eine Aufteilung auch dem Paar selbst zu gute kommt. Beide Partner sind gleichmäßig für das Familieneinkommen und die Familienorganisation zuständig. Der Mental Load des gemeinsamen Lebens kann gerechter aufgeteilt werden, der Druck, einer bestimmten Rolle gerecht zu werden, reduziert sich. Für Familien, die sich mit der klassischen Rollenaufteilung nicht wohl fühlen, kann die Familienteilzeit eine echte, großartige Alternative sein, die es absolut lohnt, in Erwägung zu ziehen.
Quellen:
Väter und Vereinbarkeit, Leitfaden für eine Väterorientierte Personalpolitik, Familienministerium 10/19
https://www.bmfsfj.de/blob/121314/8d64a6315de7b69b95d5a84d5be5822f/vaeter-und-vereinbarkeit-data.pdf
Väterreport 2018
https://www.bmfsfj.de/blob/127268/2098ed4343ad836b2f0534146ce59028/vaeterreport-2018-data.pdf
Teilzeit ist nicht nur für die Frau da (Zeit Online)
Das Elterngeld im Urteil junger Eltern Dez/2007